Interview with Marc on artempire

Artempire, Interview mit Marc von Naria

July, 2012

Im Gespräch mit Marc Eisele, Mastermind der Band Naria.

Du bezeichnest deine Doppel-CD „Naria And The Fly …Waiting For Lunch“ als ein Konzeptalbum. Was haben wir uns darunter vorzustellen?

Das aktuelle Doppelalbum ist der erste Teil einer Trilogie, deren Überthema die Elemente Erde, Luft, Wasser und Feuer sind, aus denen nach der Vier-Elemente-Lehre alles Sein besteht. Ein Konzeptalbum ist für mich aber mehr als nur eine textliche oder allgemeine Thematik. Es ist vielleicht sogar ein Stück weit Trotzreaktion auf die Art und Weise, wie (heute) Musik verstanden wird. Ein Konzeptalbum hat musikalische Themen. Auf „Naria And The Fly …Waiting For Lunch“ folgen diese Themen in Form von Melodien, Harmonien oder Rhythmen ihren jeweiligen Partnern in der Geschichte, manchmal gehen sie ihnen voraus. Man muss einem Konzeptalbum mehr Zeit geben, als einem dreiminütigen Radiosong, dessen Refrain nach wenigen Sekunden jedes Kleinkind mitsummen kann. Nichts gegen Dreiminutenlieder und auch nichts gegen einfache Refrains, aber es ist eben wie mit allem: Zuviel schadet der Gesundheit. Wer nimmt sich heute noch die Zeit, ein Album durchzuhören – Konzept oder nicht? Wer kauft sich noch Alben? Ich sehe auch die Entwicklung von MP3 kritisch. Das Format an sich ist wunderbar! Es bringt grandiose Vorteile, aber eben auch grandiose Nachteile bei falscher Anwendung. Ein Konzeptalbum fordert einen Mehrwert und diesen Mehrwert verpasst der MP3-Käufer. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich für dieses Album gar keine Einzel-Downloads angeboten. Das überraschende ist allerdings, dass sich bislang fast alle Käufer für die CD entschieden haben! Das freut mich sehr.

Wer nimmt sich heute noch die Zeit, ein Album durchzuhören – Konzept oder nicht? Wer kauft sich noch Alben?

Du sagst, auf dem Album wird eine Geschichte erzählt. Wovon handelt diese?

Es geht um Naria, ein Mädchen, dass in einer dreckigen und hektischen Großstadt plötzlich erwacht und orientierungslos umherirrt. Sie wird dabei immer wieder in seltsame Szenarien entrissen und muss sich zurechtfinden. Diese Szenen stellen sich dann nach und nach als Bilder ihres eigenen Unterbewusstseins dar. Sie landet zum Beispiel unter anderem im Mutterleib und erlebt ihre eigene Geburt. Später erwacht sie als kleiner Stein im Asphalt einer Straße. Naria verkörpert das Element Erde, den Melancholiker, und damit Trübsinn und eine gewisse Schwermut. Dem gegenüber steht das Element Luft, die Verkörperung der Leichtigkeit, welches die Fliege repräsentiert. Die Fliege begleitet Naria auf Schritt und Tritt zunächst unbemerkt. Die musikalischen Leitmotive verschmelzen schließlich und mit ihnen auch die Charaktergegensätze.

Hat der Name Naria eine spezielle Bedeutung?

Naria ist ein fiktiver Mädchenname, den ich mir schon vor einigen Jahren als besonderen Namen für das Mädchen in der Geschichte überlegt hatte. Ich war auf der Suche nach einem neutralen, unbesetzten Namen, weil ich es schön finde, wenn man sich darunter erst einmal nichts vorstellen kann und nicht automatisch ein Klischee bedient wird. Nachdem meine Internetseite jedoch online war, war es damit vorbei. Mittlerweile gibt es einige Usernames und sogar eine Operntantengruppe in Kanada heißt seit 2010 so. Ich warte noch beharrlich auf die Klage…

Es spielen ja allerhand Musiker auf dem Album mit. Gibt es denn einen festen Kern oder ändert sich das nach Bedarf?

Der weiche Kern bin ich. Ich hatte das gesamte Album bereits fertig vorproduziert. Anders wäre das thematische Komponieren mit den Leitmotiven gar nicht möglich gewesen. Die Musiker kamen dann später für Proben und Aufnahmen hinzu. Als ich mit meiner alten Band „schein23“ unterwegs war, sind mir immer wieder Musiker anderer Bands besonders positiv aufgefallen, die ich dann auch angesprochen habe. Glücklicherweise waren alle von dem Projekt begeistert und enthusiastisch dabei. Ich habe also mehr oder weniger die passenden Musiker angehauen und ihnen dann die jeweiligen Songs zugeteilt. Mittlerweile hat sich daraus aber auch eine feste Band entwickelt, mit der wir im Spätsommer das zweite Album aufnehmen und live spielen werden.

Was hat dich auf die Idee gebracht, ein solch komplexes Album zunächst komplett in Eigenregie zu erschaffen?

Ich höre sehr viel Musik aus den unterschiedlichsten Ecken und wurde während des Studiums quasi täglich mit neuem Zeug konfrontiert. Manchmal fand ich die Sachen furchtbar, manchmal hat mich deren Genialität umgehauen. Im Grunde gibt es nur gute und schlechte Musik und ich bin auch der Meinung, dass man das durchaus objektiv beurteilen beantworten kann – unabhängig vom eigenen Geschmack. Mich hat an E-Musik („Klassische Musik“ ist ja eigentlich der falsche Ausdruck) immer fasziniert, wie akribisch die Kompositionen durchgeplant sind. Man kann einfach zuhören und es mögen oder eben nicht. Oder man kann ganz tief eintauchen in eine Ebene, die Musik zu einer ganz besonderen Sprache macht. Freunde von mir, die sonst so gar nichts mit „klassischer Musik“ zu tun haben, habe ich vor einiger Zeit bei mir zuhause dazu gezwungen, Maurice Ravels Suiten aus „Daphnis et Chloé“ anzuhören. Ich hatte die Behauptung aufgestellt, dass man ohne jegliches Vorwissen über dieses Stück hören kann, was in der Geschichte passiert. Alleine aus der Bewegung heraus. Dieser Versuch endete dann damit, dass wir ein paar Wochen später zu fünft in Stuttgart beim Radio-Sinfonieorchester saßen und das Ganze dann noch einmal live anhörten, weil es alle fasziniert hatte. Erfahrungen wie diese haben mir den Anstoß gegeben, selbst mit meinen Klangmöglichkeiten größeres Gewicht in die musikalischen Details zu legen. Letzten Endes habe ich ja dann auch sehr lange an allen möglich Schrauben gedreht, bis es fertig war. Ob so etwas auch innerhalb einer Band funktionieren kann, weiß ich nicht, da ich zum Zeitpunkt des Schreibens schlichtweg keine Band hatte. Ich muss aber auch ganz klar sagen, dass das Projekt ohne die Hilfe von meinem Freund Andreas Oszkiel, mit dem das Album in mehreren Etappen in Amsterdam und Rotterdam aufgenommen wurde, und meinen beiden Rhythmikern Michael Vinne (Bass) und Ingo Mayer (Schlagzeug) niemals fertig geworden wäre. Dazu ist so ein Projekt viel zu umfangreich und fordernd. Ich bin sehr froh, dass mich so viele dabei unterstützt haben und möchte mich auch hier nochmal ausdrücklich bei allen dafür bedanken!

Worauf achtest du generell bei Musik, was ist dir persönlich am wichtigsten?

Das kann ich so pauschal gar nicht beantworten. Mal ist es der Text, mal der Drive, mal die interessante Komposition. Es darf durchaus auch kitschig oder bolzenhart sein, das ist mir egal, solange es authentisch ist. Aber es gibt nichts schlimmeres, als aufgesetzte Poser-Musik.

Es darf durchaus auch kitschig oder bolzenhart sein, das ist mir egal, solange es authentisch ist.

Was liegt zur Zeit so auf deinem Plattenteller?

Um ehrlich zu sein mehr im CD-Schacht, da ich nicht viele LPs besitze. Vieles bekommt man ja leider auch nicht auf Vinyl. Ganz oft läuft “Spirit of Eden” von Talk Talk und “De-loused in the Comatorium” von The Mars Volta. Ansonsten hab ich grad eine softe Phase und S.Carey und Bon Iver wiederentdeckt. Außerdem sei hier Heisterkamp erwähnt, ein Nebenprojekt von Jan, der auch ein paar Songs auf dem Naria-Album singt, mit dem Jupiter-Jones-Sänger Nicholas. Grandiose Songs! Das läuft bei mir wirklich oft. Und ich hoffe, gleiches sagt er auch über unser Album…

Super, vielen Dank für das Interview und ich bin schon gespannt auf das nächste Album.

dokr

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